Herr Atkinson, für die meisten Experten ist eHealth alternativlos. Trotzdem sieht es in der Praxis oft anders aus. Was denken Sie: Wird sich eHealth in Pflege und Gesundheit in Kürze flächendeckend durchsetzen oder bleiben Pflege und Gesundheit Systeme, in denen Wandel nur schleichend seinen Durchbruch findet?
Das Gesundheitssystem wird sich nicht über Nacht grundlegend ändern. Dafür ist unsere Gesundheitsversorgung zu komplex und schwerfällig. Trotzdem ist viel in Bewegung. Das enorme Tempo, mit dem sich der regulatorische Rahmen inzwischen bewegt, macht definitiv Mut. Trotzdem ist der Weg in die Regelversorgung für viele innovative Konzepte nach wie vor sehr schwer. Eigentlich kommt hier dem Innovationsfonds eine Schlüsselrolle zu. Allerdings kann aus dem Fonds nur ein kleiner Anteil aller Projekte gefördert werden und die Projekte, die gefördert werden, müssen nach der Evaluation auch wirklich in der Breite implementiert werden. Das funktioniert noch nicht gut genug. Dennoch bin ich überzeugt davon, dass am allgemeinen Trend kein Weg vorbeiführt. In den nächsten 5 bis 10 Jahren werden E-Health-Lösungen in der Regelversorgung immer häufiger zu sehen sein.
In welchem medizinischen Bereich sehen Sie den größten Nutzen von eHealth?
Die Digitalisierung ist eine Querschnittsdisziplin, die mit Sicherheit in allen Bereichen der Gesundheitsversorgung Einzug findet. In manchen sehen wir schon sehr konkret, wie wir davon profitieren werden – etwa in der Radiologie, wo selbstlernende Algorithmen die Bilderkennung radikal beschleunigen. In anderen Bereichen braucht es vielleicht noch ein paar Jahre mehr, bis wir eine klare Vorstellung davon haben, welche digitalen Verbesserungen Nutzen stiften. Generell gilt aber für alle Bereiche: Am digitalen Wandel führt kein Weg vorbei!
Das wohl größte Potenzial sehe ich derzeit bei den Lösungen, die das Fachpersonal entlasten und unser Gesundheitssystem insgesamt effizienter machen. Der Mangel an Ärzten und Pflegekräften sowie die Folgen der demographischen Entwicklung stellen uns nach wie vor vor ungelöste Probleme. Hier kann E-Health einen wertvollen Beitrag leisten.
Wie arbeiten Sie persönlich daran, eHealth in das Pflege- und Gesundheitssystem zu integrieren?
Durch tägliche Überzeugungsarbeit. Es gibt sehr viele wirklich kluge Ansätze, die noch nicht die Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdienen. Deshalb verschaffe ich als PR-Berater im digitalen Gesundheitswesen weniger bekannten Lösungen Zugang zu einem größeren Publikum. Ich entscheide nicht, welche Konzepte die besten sind, aber ich möchte dazu beitragen, dass alle Vorschläge eine Chance haben, gehört zu werden. Innovationen aus kleinen Unternehmen und neugegründeten Startups liegen mir dabei besonders am Herzen.
Zur Person
Simeon Atkinson ist freiberuflicher PR-Berater im digitalen Gesundheitswesen und Herausgeber der Digital Health News. Schon während des Studiums hat er die Pressearbeit eines E-Health-Startups aufgebaut, später hat er sich damit selbstständig gemacht. Heute betreut er verschiedene Organisationen und Unternehmen auf dem Weg in die medizinische Fachpresse und darüber hinaus. Außerdem betreibt er mit den Digital Health News einen wöchentlichen Branchen-Newsletter für Innovation und Digitalisierung im Gesundheitswesen.
Interessante Links
Das Gespräch ist Teil einer Interview-Reihe zum Thema eHealth.