Christian Erbacher, LL.M. ist Fachanwalt für Medizinrecht. Im Interview mit der cibX GmbH beantwortet er die Fragen zu den rechtlichen Grundlagen der Personenortung.
Herr Erbacher, wann darf man als Privatperson Familienangehörige orten und ihren aktuellen Standort ermitteln?
Wenngleich die DS-GVO in privaten Angelegenheiten keine Geltung entfaltet, greift eine Überwachung bzw. Ortung natürlich in die verfassungsrechtlich geschützte Privatsphäre jedes Einzelnen ein. Deshalb ist eine Überwachung bzw. Ortung nur dann gerechtfertigt, wenn der Geortete in die entsprechende Überwachung auch eingewilligt hat.
Darf ein Krankenhaus oder eine Pflegeeinrichtung Patienten orten?
Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtung sollten dies von Fall zu Fall entscheiden, da es stets auf die Intensität der jeweiligen Ortung ankommt sowie auf die Frage, ob nicht gegebenenfalls ein milderes Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks zur Verfügung steht. Das Amtsgericht Hannover hielt die Verwendung von Sendeanlagen oder sog. Personenortungsanlagen im Jahr 1992 sogar per se für unzulässig, da es darin einen Verstoß gegen die Menschenwürde gesehen hatte. Viele andere Gerichte halten diese Maßnahmen für genehmigungspflichtig, sodass eine Zustimmung durch das Betreuungsgericht erforderlich ist.
Wenn ja, welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein?
Um die Menschenwürde jedes Einzelnen zu wahren, bedarf die konkrete Art der Ortung einer genauen Abwägung sämtlicher Umstände. Das Landgericht Fulda hat im Jahr 2016 (Beschluss vom 31.5.2016, Az.: 5 T 83/16) im Fall eines an Demenz erkrankten Heimbewohners zum Beispiel entschieden, dass eine „sensorgesteuerte Weglaufsperre“ für 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche nicht zulässig sei, wenn die mit der Umtriebigkeit des Betroffenen verbundene abstrakte Gefährdung bislang sich tatsächlich nicht konkretisiert habe und wenn weniger einschneidende Maßnahmen (wie zum Beispiel der Einsatz einer Personenortungsanlage mittels einer GPS-Überwachung) nicht erprobt worden seien. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass in diesem konkreten Fall eine GPS-Überwachung wohl zulässig gewesen wäre.
Wann bedarf eine Ortung keine direkte Einwilligung einer Person?
Für eine Ortung ist prinzipiell immer eine Einwilligung erforderlich. Wenn die betroffene Person nicht einwilligungsfähig ist (weil sie z.B. an Demenz erkrankt ist) bedarf es in der Regel einer Einwilligung durch den jeweiligen Betreuer.
Was passiert, wenn man ohne Erlaubnis eine Personenortung durchführt?
Eine Ortung/Überwachung ohne eine wirksame Einwilligung ist unzulässig und kann neben Schadensersatzforderungen auch empfindliche Bußgelder nach der DSGVO nach sich ziehen.
Was kann ich tun, wenn ich feststelle, dass ich unerlaubt überwacht werde?
Es sollte die Herausgabe des Überwachungsmaterials bzw. die Löschung desselben gefordert werden. Daneben kann auch eine Meldung an die jeweilige Landesdatenschutzbehörde erfolgen.
Ist die Überwachung bzw. Ortung des medizinischen Personals am Arbeitsplatz erlaubt?
Die Überwachung von Personal am Arbeitsplatz ist ein sehr heikles Thema. Zunächst einmal ist bei der Frage der Zulässigkeit eine Interessenabwägung vorzunehmen (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO). Darüber hinaus müssen die Betroffenen gemäß Art. 13 DSGVO über die Art der Verarbeitung und Nutzung der Aufnahmen informiert werden. Praktisch umgesetzt bedeutet dies, dass zwingend entsprechende Hinweisschilder aufzustellen/anzubringen sind. Gleichzeitig ist zu bedenken, dass Örtlichkeiten der Intimsphäre, wie z.B. Sanitärräume, Sozialräume etc., nicht überwacht werden dürfen.
Ist die Mitarbeiterortung aufgrund der zunehmenden Gewalt gegen medizinisches Personal erlaubt?
Da die Erlaubnis der Mitarbeiterortung wie dargestellt stets eine Interessenabwägung erfordert, kann bei dem Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für Gewalt eine Ortung zulässig sein. Eine rein abstrakte Gefahr in Form der genannten „zunehmenden Gewalt gegen medizinisches Personal“ würde nicht ausreichen, um eine Ortung zu legitimieren.
Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person
Rechtsanwalt Christian Erbacher, LL.M. ist Fachanwalt für Medizinrecht bei der Rechtsanwaltskanzlei Lyck+Pätzold. healthcare.recht, die im Gesundheitsmarkt berät. In ihrem Blog informiert die Kanzlei über aktuelle medizinrechtliche und gesundheitspolitische Themen.