Ab Oktober 2024 wird das Infomobil des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) in ganz Deutschland unterwegs sein, um die Bevölkerung über die „elektronische Patientenakte für alle“ (ePA) zu informieren. Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach hofft, durch diese Aufklärungstour auch die letzten Skeptiker von den Vorteilen der ePA zu überzeugen.
Lauterbach ist überzeugt, dass die Einführung der elektronischen Patientenakte ab Januar 2025 zu einer besseren und unbürokratischeren medizinischen Versorgung führen wird. Dies betonte der SPD-Politiker in Berlin zum Auftakt einer großangelegten Informationskampagne. Er unterstrich, dass die ePA die Prozesse in Arztpraxen und Kliniken optimieren und gleichzeitig für die Patienten nutzerfreundlich gestaltet werden soll. Der Hausärzteverband forderte jedoch, dass die technischen Systeme der Praxen reibungslos mit der ePA zusammenarbeiten müssen, um einen störungsfreien Ablauf sicherzustellen.
Gesetzliche Grundlage und Nutzen der ePA
Laut einem Gesetz der Ampel-Koalition wird ab Anfang 2025 jeder gesetzlich Versicherte automatisch eine ePA von seiner Krankenkasse erhalten – es sei denn, man widerspricht dieser Einrichtung. In der ePA werden wichtige Gesundheitsdaten wie Medikamentenlisten, Befunde und Laborergebnisse digital gespeichert und für die lebenslange medizinische Versorgung verfügbar gemacht. Dieses digitale System soll dazu beitragen, Behandlungsfehler zu reduzieren, unnötige Mehrfachuntersuchungen zu vermeiden und Risiken durch Wechselwirkungen von Medikamenten zu minimieren.
Die Einführung der elektronischen Patientenakte wird zunächst in einer vierwöchigen Modellphase ab dem 15. Januar 2025 in den Regionen Franken und Hamburg getestet. Danach soll sie bundesweit ausgerollt werden und für alle Patienten, Arztpraxen, Kliniken und Apotheken verfügbar sein. Schon seit 2021 gibt es die ePA als freiwilliges Angebot, jedoch wurde sie bislang nur von wenigen Patienten aktiv genutzt.
Technische Stabilität und Einführungshindernisse
Lauterbach betonte, dass es wichtig sei, technische Probleme zu vermeiden, die die Einführung der ePA erschweren könnten. Man wolle nicht, dass die elektronische Akte in der Praxis mehr Ärger als Nutzen bringt. Aus diesem Grund wurde das System technisch überarbeitet, um die Stabilität zu verbessern. Auch Florian Fuhrmann, Geschäftsführer der staatlich geführten Digitalgesellschaft Gematik, erklärte, dass die neue Architektur der ePA auf leistungsfähigere und stabilere Anwendungen ausgelegt sei.
Der Vorsitzende des Hausärzteverbands, Markus Beier, äußerte ebenfalls Bedenken. Er forderte, dass Probleme, wie sie etwa beim Start der elektronischen Rezepte aufgetreten sind, nicht wiederholt werden dürften. Die Arztpraxen würden zwar versuchen, so viele Fragen der Patienten zur ePA wie möglich zu beantworten, jedoch könne dies insbesondere in der Infektionssaison nicht allein durch die Hausärzte bewältigt werden.
Informationskampagne und freiwillige Nutzung
Inzwischen haben 68 der 95 gesetzlichen Krankenkassen damit begonnen, ihre Versicherten mit Pflichtinformationen über die ePA zu versorgen. Die restlichen Kassen werden im Oktober folgen und direkte Informationen per Brief, E-Mail oder über die Kassen-App bereitstellen. Doris Pfeiffer, die Chefin des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), betonte erneut, dass die Nutzung der elektronischen Patientenakte freiwillig bleibe. Versicherte können der Einrichtung der ePA im Voraus oder auch zu einem späteren Zeitpunkt jederzeit widersprechen. Nur ein kleiner Teil der bislang kontaktierten Versicherten, weniger als drei Prozent, habe von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, was als positives Zwischenergebnis gewertet werde.
Um die Bevölkerung weiter über die Vorteile der ePA aufzuklären, hat das Bundesgesundheitsministerium zusammen mit dem GKV-Spitzenverband und dem Hausärzteverband eine Informationskampagne gestartet. Diese soll den Countdown von 100 Tagen bis zur Einführung der ePA begleiten. Außerdem wird im Oktober ein Infobus durch mehrere deutsche Städte touren, um in direkten Gesprächen Missverständnisse auszuräumen und Vorurteile abzubauen.
Zugriff und Datenschutz
Lauterbach erklärte, dass Ärztinnen und Ärzte ein Zugriffsrecht auf die elektronische Patientenakte für jeweils 90 Tage erhalten, sobald ein Patient seine Versichertenkarte in einer Praxis oder Klinik einsteckt. In dieser Zeit können Mediziner die Akte mit wichtigen Befunden und Laborwerten füllen. Patienten haben dabei die Möglichkeit, über eine App zu bestimmen, welche Daten für ihre behandelnden Ärzte sichtbar sind und welche nicht.
Patientenvertreter äußern jedoch weiterhin Bedenken. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte, dass die ePA momentan nur eine digitalisierte Papiersammlung sei. Ärztinnen und Ärzte müssten immer noch jedes einzelne Dokument durchsehen, um die relevanten medizinischen Informationen herauszufiltern. Besonders für chronisch Kranke, ältere Menschen und Pflegebedürftige wäre es jedoch wichtig, wenn alle relevanten Befunde automatisch verfügbar wären. Aktuell verfüge die ePA nicht über intelligente Funktionen wie Künstliche Intelligenz, die Daten analysieren und miteinander verknüpfen könne.
Forderungen nach Vereinfachung des Anmeldeprozesses
Auch der Sozialverband VdK äußerte Kritik am Anmeldeprozess. Dieser sei insbesondere für ältere Menschen und Menschen mit eingeschränkten digitalen Fähigkeiten zu kompliziert. Lauterbach verwies darauf, dass es zukünftig auch möglich sein werde, sich die ePA in Apotheken mit Hilfe eines Smartphones und der elektronischen Gesundheitskarte freischalten zu lassen. Dies solle den Zugang zur elektronischen Patientenakte für technikferne Personen erleichtern und sicherstellen, dass niemand aufgrund mangelnder digitaler Kenntnisse ausgeschlossen wird.