Eine Investition, welche sich bezahlt machen würde
Ersparnisse in Milliardenhöhe gehen in Deutschland wegen einer zu langsamen Digitalisierung der Medizin verloren. Ausgaben in der Gesundheitsbranche könnten bis zu 42 Milliarden Euro weniger kosten, wenn das Land Innovationen in der digitalen Gesundheitsbranche konsequent zusetzen würde. Jährliche Gesamtausgaben belaufen sich auf rund 343 Milliarden Euro. Das heißt, dass es Einsparungen von etwa mehr als einem Zehntel im Jahr geben könnte.
Das Beratungsunternehmen McKinsey veröffentlichte Dienstag eine Analyse, die das Potenzial verfügbarer digitaler Gesundheitstechnologien und die dadurch verbundenen Einsparungen hervorhebt. Es gibt mehrere Projekte, die Deutschland gekickstarted hat. Dazu zählen beispielsweise der digitalisierte Rezeptantrag, die elektronische Patientenakte (ePA) und bessere Bedingungen für die Videosprechstunde. Das Problem ist jedoch, dass die Angebote entweder nicht oder nicht ausreichend genutzt werden, da der Nutzen für den Nutzer noch nicht sichtbar ist.
Am eindeutigsten lässt sich dies anhand der ePA, welche gesetzlichen Krankenkassen seit 2021 anbieten müssen, sehen. Bürokratie; lästige Papierakten und Faxe sollen somit ein Relikt der Vergangenheit werden. Tatsächlich nutzen nur sehr wenige Versicherte dieses Angebot, da die Funktionen noch sehr begrenzt sind und erst nach und nach verfügbar werden. Daher spart ePA derzeit nur 300 Millionen Euro jährlich ein.
Corona hat als Katalysator gewirkt – allerdings nur in Teilbereichen des Gesundheitswesens in Deutschland
Insgesamt spart das Gesundheitssystem in Deutschland durch die Digitalisierung jährlich nur etwa 1,4 Milliarden Euro ein – verglichen mit 2018, als die Studie erstmals veröffentlicht wurde. Online-Terminbuchung senkt Gesundheitskosten um 400 Millionen Euro. Beträge von bis zu 300 Millionen Euro gehen verloren, weil die Diagnose per Videosprechstunde für Ärzte seit der Corona-Pandemie deutlich einfacher geworden ist.
Insgesamt ist das Potenzial hier aber fast zwanzigmal größer. Care spart zwischen 100 und 300 Millionen Euro dank der Software, die Mitarbeiter miteinander verbindet und so Vereinbarungen erleichtert. Corona wirkt als Katalysator – aber nur in bestimmten Bereichen. Elektronische Patientenakten warten nicht nur auf den Durchbruch, auch elektronische Rezepte sind noch nicht implementiert. Der Start wurde mehrfach verschoben, das Projekt befindet sich noch in der Beta-Phase.
Das ist bedauerlich, aber gleichzeitig zeigt dieser Fall, wie viel Zeit zwischen Gesetz und Umsetzung vergehen kann, wenn die Bedürfnisse der Nutzer – in diesem Fall Ärzte – nicht angemessen gewürdigt werden. Vor allem sind es leistungsstarke Anwendungen, deren Vorteile sofort erkennbar sind, wie etwa die Online-Terminbuchung oder die Telemedizin. Gesetzliche Einschränkungen stehen hier im Weg. Zum Beispiel die Tatsache, dass Ärzte nur 30 % ihrer Patienten telemedizinisch behandeln und abrechnen können.
Auch Deutschlands Gesundheitsminister Karl Lauterbach will Tempo machen, hat aber noch keinen konkreten Plan. Ende März kündigte der SPD-Politiker an, nach der Sommerpause im Bundestag mit der Ausarbeitung einer umfassenden Strategie zu beginnen.