PD Dr. med. Dominik Pförringer ist Orthopäde und Unfallchirurg in München. Im Interview spricht er mit uns unter anderem über die Chancen von eHealth in der Chirurgie.
Herr Dr. Pförringer, für die meisten Experten ist eHealth alternativlos. Trotzdem sieht es in der Praxis oft anders aus. Was denken Sie: Wird sich eHealth in Pflege und Gesundheit in Kürze flächendeckend durchsetzen oder bleiben Pflege und Gesundheit Systeme, in denen Wandel nur schleichend seinen Durchbruch findet?
eHealth ist eindeutig absolut alternativlos – jedoch alles andere als im negativen Sinn. Nicht nur ist eHealth die Zukunft, sondern bereits in der Gegenwart Realität. Schon heute ist eine Bereitstellung und Gestaltung des Gesundheitswesens in industrialisierten Ländern unter Entkoppelung von digitalen Technologien längst nicht mehr denkbar.
Das Einzige worauf wir einen Einfluss haben ist die Geschwindigkeit des Fortschritts bzw. die Adaptation dessen durch Patienten und Ärzte. In der Tat ist die Praxis eine völlig andere als die Theorie. Wenn ich Stimmen aus Berlin höre, welche sich wünschen, dass Medikamente künftig per Drohne ausgeliefert werden, so ist dies reine Zukunftsmusik bzw. so weit von der Realität und vor allem dem realen Bedarf entfernt, wie es nur sein kann. Dennoch ist es wichtig, vor diesen Zukunftsszenarien nicht die Augen zu verschließen, sondern sie als Zukunftsvisio, ebenso wie das vollständig selbstfahrende Auto zu sehen. Das heißt ein langfristiges Ziel, worauf wir hinarbeiten. eHealth wird sich durchsetzen, die Frage ist wie schnell.
Digitale Gesundheit wird den Arzt und die Pflegekraft keineswegs ersetzen sondern im Idealfall ergänzen. Das heißt eHealth wird zum Copiloten für den modernen Arzt und wird Behandlungssicherheit und Behandlungsgeschwindigkeit der Medizin steigern. Im Idealfall werden auch noch Ressourcen geschont und dadurch neue Möglichkeiten für alle Beteiligten eröffnet.
In welchem medizinischen Bereich sehen Sie den größten Nutzen von eHealth?
Bereits jetzt ist der Nutzen in logistischen Themen enorm und nicht mehr von der Hand zu weisen.
Im Kontrast ist es noch nicht abzuschätzen, in welchen Bereichen sich die Thematik nicht durchsetzen wird. Voraussichtlich werden die handwerklichen Fächer, also chirurgische Tätigkeiten, noch lange primär durch Menschen, unterstützt von Technologien, wie dem DaVinci Roboter oder Navigationssystemen in der Orthopädie, zum präzisen Gelenkersatz unterstützt. Es handelt sich wie immer bei der Neuvorstellung von modernen Technologien um eine Übergangsphase, deren langfristige Auswirkungen noch nicht abzuschätzen sind. Diese Phase der Innovation wird nicht enden. eHealth kommt dabei Patienten wie Ärzten, dem Einzelnen wie dem System qualitativ und ökonomisch zugute.
Wie arbeiten Sie persönlich daran, eHealth in das Pflege- und Gesundheitssystem zu integrieren?
Persönlich werde ich nicht müde, Informationsveranstaltungen wie Symposien, Kongresse und Summits zu veranstalten, Vorträge zu halten und meine Kollegen tagtäglich zu informieren, welche enormen Chancen in einem digitalisierten Gesundheitssystem zu sehen und zu finden sind.
Dies stellt eine mitunter Siphosartige Aufgabe dar und man kämpft mit vielen Ressentiments und Ängsten, die es abzubauen gilt. Insbesondere in Sachen Datenschutz stehen wir uns hierbei oft selbst im Weg. Professor Dr. Serban Dan-Costa, hat es sehr treffend im Ärzteblatt auf den Punkt gebracht: https://www.aerzteblatt.de/archiv/210159/Datenschutz-Zeit-der-Uebertreibungen
Wer einmal in einem digital straff organisierten System gearbeitet hat, möchte es nicht mehr anders erleben. Und auch wer einmal einen Algorithmus wie beispielsweise ADA genutzt hat, wird nicht mehr ohne dessen Hilfestellung arbeiten wollen. Wer einmal digitale Rehabilitation wie die von Caspar Health erfahren hat, wird sich mit einer herkömmlichen, konventionellen analogen Rehabilitationsmaßnahme nicht mehr zufrieden geben. Dies sind nur wenige Beispiele, ebenso wie die Möglichkeit der digitalen Terminvereinbarung, welche das Telefon bzw. das Telefax mittelfristig hoffentlich vollständig ablösen wird.
Schlussendlich halte ich für den wichtigsten Faktor in alledem den Optimismus und die Bereitschaft offen an die Dinge heranzugehen. Dies ist das A und O und sichert uns Möglichkeiten, von denen bis dato nur zu träumen war. Denken wir proaktiv, treiben wir den Fortschritt voran. Nur wer ihn selbst gestaltet, kann auch seine Konsequenzen in die Hand nehmen. Dank Professor Debatin im Healthcare Innovation Hub ist Minister Spahn (aka Minister Fleißig – 20 Gesetze in 20 Monaten) mit Gottfried Ludewig, seinem obersten Digitalisator, bestens medizinisch beraten und professionell aufgestellt.
Es bleibt spannend, ich freue mich jeden Tag in diesem Feld aktiv mitgestalten zu dürfen.
Vielen Dank für das Gespräch Herr Dr. Pförringer!
Zur Person
PD Dr. med. Dominik Pförringer ist Orthopäde und Unfallchirurg in München. Seit seinem MBA im INSEAD in Fontainebleau und Singapur liegt sein Focus auf digitaler Innovation in Klinik und Praxis. Er berät Startups, Investoren und Innovatoren, forscht und entwickelt und lädt im Herbst zum Digital Health Summit ein: www.digitalhealthsummit.de