Auf eine Anfrage bei Facebook hat sich Gini bei uns gemeldet. Ehrlich, direkt und offen hat sie uns von ihrem schwierigen Alltag mit ihrer schwer demenzkranken Mutter berichtet. Ihre Geschichte zeigt: Jede Demenzerkrankung ist anders. Sie kann so verlaufen, dass ein „normaler“ Alltag mit dem betroffenen Angehörigen möglich ist. Andersherum geht es aber leider genauso…
Ginis Geschichte
„Es fing vor 13 Jahren an, da war meine Mutter 77 Jahre alt, mit immer wiederholenden Erzählungen, abgelaufenen Lebensmittel im Kühlschrank und Lustlosigkeit. Außerdem hat sie Uhrzeiten nicht richtig wahrgenommen. Der Arzt schob es immer auf die Altersdiabetes und tat das so ab, war eher genervt und so bin ich jeden Tag morgens zu ihr hin, habe Brötchen und Zeitung gebracht, um dann zur Arbeit zu fahren. Zu Einkäufen habe ich sie einmal die Woche mitgenommen und auch da war es wie bei einem Kleinkind: Alles musste in den Einkaufswagen, ich hab sie einfach machen lassen.
Eines Morgens schrieb mich auf Facebook meine Cousine an, dessen Tochter bei der Polizei ist und fragte, ob es sein kann, das meine „Mom“ nachts in der Bochumer City hilflos aufgefunden wurde. Tatsächlich war sie das! Die Uhrzeiten hatte sie verwechselt und ist an einem Freitag um 3 Uhr in den Bus und nach ca. 15 Jahren in die Stadt, um einzukaufen. Ich war fertig und ließ sie in ein Krankenhaus einweisen.
Da bekamen wir die Diagnose Demenz und mir war klar, dass ihr Allein-Leben nun zu Ende ist. Das war vor 5 Jahren. Ich habe mit ihr dort noch geredet, dass sie nun entweder in ein betreutes Wohnen ziehen muss oder halt zu uns kommt. Nachdem einige Vorfälle im Krankenhaus sie auch wohl ängstlich gemacht hatten, sagte sie, dass sie zu mir kommt und wir setzten das sehr schnell um.
Seitdem ist nichts mehr, wie es war. Fenster und Türen sind mit einem Alarm ausgestattet, der losgeht, wenn sie ihren Freiheitsdrang an den Tag legt. Wir werden sofort übers Handy benachrichtigt, sie schmiert an manchen Tagen ihren kompletten Kot durchs Zimmer und man schmeißt nur weg, desinfiziert und kauft neu, denn sie weiß ja nicht, wie das passiert ist. Sie hockt im Zimmer, starrt nur rum und ich habe ein schlechtes Gewissen, sie sucht viel ohne zu wissen, was überhaupt, aber helfen darf man nicht, dann wird es böse, obwohl sie immer herzensgut war. Im Endeffekt ist es, als wenn man ein Kleinkind hat, das aber nichts lernt oder gar behält.
Zigmal war sie schon in der Geriatrischen und ich bekam einen „Zombie“ zurück, weil sie vollgedröhnt mit Tabletten und Säften war (Risperidon, Melperon, Temazepam usw.) Ich habe zum Glück einen tollen Hausarzt, der mir beisteht und habe alle diese Medikamente abgesetzt und durch B12, Schlafsterne für abends bei Bedarf und Baldrian ersetzt. Es dauerte, aber sie ist seitdem nicht mehr der sabbernde „Zombie“.
Mein Leben selbst hab ich so gut wie es geht aufgegeben. Arbeiten tue ich nur noch morgens von 5 bis 8 Uhr, denn da schläft sie noch. Dann mache ich sie fertig für die Tagespflege. Anschließend Haushalt, Schadensbeseitigung, Essen kochen usw. Mein Ausgleich sind dabei unsere zwei Hunde und das Spazierengehen mit ihnen, denn Freunde, Verwandte sind da nicht mehr wirklich, wie auch? Es bleibt ja keine Zeit und es zermürbt einen, die Ehe leidet auch und des Öfteren erwische ich mich bei dem Gedanken, mir zu wünschen, dass es zu Ende geht. Traurig aber so ist’s.“